11/2025 „Was kostet es, nicht nachhaltig zu bauen?“
Klimaanpassung Klimaschutz

Ressourcen sind endlich – eine Binsenweisheit seit Jahrzehnten, dennoch schreitet der menschliche Raubbau am System Erde ungebremst voran. Wollen wir ein zukunftsfähiges Wirtschaften auf dem Planeten etablieren, müssen wir uns zuerst den aktuellen Realitäten stellen: Ein Überleben der Menschheit ist grundlegend in Frage gestellt. Im Planungsalltag stehen wir jedoch regelmäßig vor dem Dilemma, wie Entscheidungen vorbereitet und getroffen werden können, die den Zielen der Suffizienz und Effizienz entsprechen – ohne am Argument der "Mehrkosten" zu scheitern.
Um den Blick auf die realen Kosten des Ressourcenverbrauchs zu lenken, bedarf es einer Argumentationshilfe, die aus der Falle einer Etatdebatte einzuhaltender Baukosten herausführen kann. Dabei könnte eine monetäre Betrachtung helfen, die die globalen ‚Dienstleistungen‘ der Natur am Menschen mit einbezieht. So schätzt das Bundesamt für Naturschutz allein den Wert der Insektenbestäubung auf gut 150 Milliarden Euro pro Jahr. Auch wenn Versuche ungenau bleiben werden, den Geldwert der gesamten Dienstleistungen der planetaren Ökosysteme zu beziffern,– da z.B. die natürliche Säuberung und Zirkulation von Wasser, von Luft und Nährstoffen, oder der Erholungswert von natürlichen Landschaften kaum zu bepreisen sind – wurde dies 2014 in einer Metastudie versucht. So erbrachte die Natur dem Menschen bis 2007 bis zu 145 Billionen Dollar pro Jahr an Dienstleistungen in Form von lebensermöglichenden Ressourcen und damit verbundenen Lebensqualitäten. Vergleicht man das mit dem weltweiten Bruttoinlandsprodukt (2007: 55 Billionen Dollar) und der jährlichen Zerstörung des Ökosystems (bis 2007: ca. 20 – 43 Billionen Dollar), ist das Ergebnis negativ und es ist nicht sichtbar. Denn in den Bilanzen existiert dieser Posten nicht. Wir bezahlen also für die einzelnen Roh- und Baustoffe, aber nicht für das Reinigen von Luft und Wasser, das Verbreiten von Pollen und Saaten, die Speicherung von CO2, die Sicherung von Nahrungsketten und generell den Erhalt der Biodiversität: Hierfür haben wir kein Preis- und Kostensystem.
Es lohnt sich also, die Kosten für ressourcenverantwortliches Bauen im Verhältnis zu dessen Mehrwert in Hinsicht auf Klimagefahren, Biodiversitätsförderung und damit (Über-)Lebensqualitäten zu setzen. Diese Argumentation wird jedoch nicht nur monetär, sondern auch in Bezug auf Verantwortungsethik geführt werden müssen: Wir dürfen uns als Planende auf unsere Verantwortung als Erdenbürger und Erdenbürgerinnen beziehen und müssen diese Diskussion nicht an den Grenzen kommunaler Budgets enden lassen. Allerdings lässt sich oben beschriebenes Dilemma der nichteingepreisten Natur-"Dienst"leistungen auch als Kommunikationsproblem betrachten. Um dieses anzugehen, kann ein Perspektivenwechsel lohnen: Die Sichtweise, dass wir ein Teil der Natur sind und nicht außerhalb unserer "Umwelt" existieren. Das ist nicht neu und führte in der neueren Geschichte bereits zu Bestrebungen eines "Zurück zur Natur", einer Sehnsucht nach dem einfachen Leben oder nach einem Leben in der Wildnis.
Sieht man darin jedoch ein Bedürfnis nach Verbundenheit mit der Natur und nimmt das uns innewohnende Streben nach Schönheit hinzu, könnten wir dann einen aktiven, kreativen und respektvollen Zugang zur Natur beispielsweise in den Kulturtechniken des Gärtnerns finden?
Die Disziplin der Baubotanik zum Beispiel forscht wissenschaftlich und experimentell an der Schnittstelle zwischen Pflanzen, Wachsen, Konstruieren und Bauen. Sie liefert ungemein ästhetische und berührende Beispiele für die Möglichkeiten, über den baukonstruktiven Umgang mit Pflanzen die synergetischen Potenziale von natürlichem Wachsen, kulturellem Wissen und intuitiver, fehlertoleranter Herangehensweise zu erfahren – und dabei nicht zuletzt etwas über uns selbst zu lernen.
Fazit
Eine monetäre Betrachtung eines zukunftsverträglichen Handelns in der Planungs- und Bauwirtschaft ist zwar notwendig, kann aber allein nicht zielführend sein. Eine Förderung gesunder und sozialer Lebensbedingungen kann über die Neugierde am Ausprobieren, verbunden mit einer größeren Fehlertoleranz führen. Von der Natur inspirierte Kulturtechniken können dabei den Weg zu einem ressourcenerhaltenden Wirken weisen. Wir können uns als Planende, Bauschaffende und Entscheidende gemeinsam dafür einsetzen, das Thema Kosten kompetent in einen Überlebens-Kontext zu stellen. Wir tragen nicht nur Verantwortung für die Einhaltung der Projekt-Etats, sondern auch für die Einhaltung der planetaren Grenzen.
Verwendete und weiterführende Literatur und Anregungen
- Göpel, M.: Unsere Welt neu denken, Berlin 2024
- Oppermann, B.: Garten+Landschaft 10/25
- Ludwig. F., Pujkilović K., u.a: Trees, Time, Architecture! Design in Constant Transformation, Architekturmuseum der TUM in der Pinakothek der Moderne, München 2025
- Ludwig, F., Schönle, D.: Wachsende Architektur, Einführung in die Baubotanik, Basel 2024
- Pfoser, N.: Detail Praxis Grüne Fassaden, München 2023
- 36. Biennale von São Paulo mit dem Titel "Not All Travelers Walk Roads – Of Humanity As Practice" und ein Zitat des Chefkurators Bonaventure Soh Bejeng Ndikung: "The Intractable Beauty of the World"
Autor: Andreas Rockinger
Die Beratungsstelle Energieeffizienz und Nachhaltigkeit der Bayerischen Architektenkammer steht Ihnen mit dem kostenfreien Beratungsangebot zur Seite. Frag die BEN!